Pflichtberatung nach §37.3 SGB XI: Warum Sie nicht automatisch zum Pflegedienst müssen

Veröffentlicht am 22. September 2025 um 09:17

Endlich ist der Pflegegrad bewilligt – nach Anträgen, Formularen und Begutachtung. Erleichterung macht sich breit. Doch im Bescheid der Pflegekasse steht plötzlich dieser Satz:

 

„Bitte wenden Sie sich für Ihre Pflichtberatung an einen örtlichen Pflegedienst.“

 

Die meisten nehmen das einfach so hin. Man will ja schließlich nichts falsch machen. Also schaut man bei Google oder im Telefonbuch nach einem Pflegedienst in der Nähe, ruft an, vereinbart einen Termin – und damit ist die Sache fürs Erste erledigt.

 

Doch beim nächsten Mal beginnt das Spiel von vorn: wieder suchen, wieder anrufen, und oft kommt jemand völlig anderes. Jemand, der die Situation zu Hause gar nicht kennt. Der Besuch dauert ein paar Minuten, die Unterschrift ist da – und die Pflicht ist erfüllt. Aber wirklich geholfen wurde nicht.

Wozu die Beratung eigentlich gedacht ist

Die Beratungsbesuche nach § 37.3 SGB XI sind vom Gesetzgeber nicht als reine Formalität gedacht. Sie sollen sicherstellen, dass:

 

  • die häusliche Pflege stabil funktioniert,
  • Angehörige nicht überlastet werden,
  • Hilfen und Entlastungsangebote bekannt sind,
  • Probleme rechtzeitig erkannt werden.

Die Kosten übernimmt vollständig die Pflegekasse. Für Sie entstehen keine zusätzlichen Ausgaben.

In der Realität wirkt die Beratung für viele Familien aber eher wie eine Kontrolle – und genau das ist das Problem.


Ein Vergleich..

Beim Bäcker bekommen Sie die besten Brötchen – frisch, warm und lecker. Aber eine fundierte Ernährungsberatung würden Sie dort nicht erwarten. Nicht, weil der Bäcker unfähig wäre, sondern weil es schlicht nicht sein Auftrag ist. Genauso ist es bei Pflegediensten: Sie können die Pflichtberatung mitmachen, aber ihr Kerngeschäft ist die Pflege.


Die Alternative: unabhängige Pflegeberatung

Das Gesetz erlaubt ausdrücklich: Auch unabhängige Pflegeberater dürfen die Beratungen nach § 37.3 SGB XI durchführen. Die Kosten übernimmt in beiden Fällen die Pflegekasse.

 

Der Unterschied liegt im Weg zur Zulassung:

 

  • Unabhängige Pflegeberater müssen ihre Qualifikation nachweisen.
  • Sie müssen ein Beratungskonzept einreichen.
  • Sie müssen Qualitätssicherung und Datenschutz garantieren.
  • Erst nach Prüfung durch den Landesverband der Pflegekassen dürfen sie abrechnen.

 

 

Das bedeutet: Beratung ist hier nicht Nebentätigkeit, sondern Kernauftrag.

Warum Pflegedienste dann im Schreiben der Kassen als Ansprechpartner genannt werden


Ambulante Pflegedienste sind per Gesetz automatisch zugelassen, diese Beratungen durchzuführen. Sie müssen dafür keine zusätzliche Anerkennung beantragen, kein Konzept vorlegen, keine Qualitätssicherung nachweisen.

 

Für die Pflegekassen ist es daher naheliegend, Pflegedienste als Standard zu nennen:

 

  • einfache Strukturen,
  • eingespielte Abrechnung,
  • bekannte Partner

 

Für die Dienste selbst ist es ein Nebengeschäft:

 

  • Jeder Besuch bringt in NRW pauschal 77,50 € von der Kasse.
  • Beratung wird oft „zwischen den Pflegetouren“ eingeschoben.
  • Gleichzeitig ergibt sich die Chance, neue Klienten für Pflegeleistungen zu gewinnen.

 

Fazit


Dass im Bescheid fast immer nur „Pflegedienst“ steht, ist eine Gewohnheit des Systems – keine gesetzliche Pflicht. Sie haben die freie Wahl.

Das gilt im Übrigen auch für Sachleistungsbezieher und bei Kombinationsleistung. Sie haben alle 6 Monate Anspruch auf eine Beratung durch eine anerkannte Beratungsstelle. Es muss nicht der Pflegedienst selbst sein der diese erbringt. 

Während Pflegedienste die Beratung häufig nebenher erledigen, stehen zugelassene Pflegeberater für geprüfte Qualität, Neutralität und Kontinuität. Damit erfüllt die Pflichtberatung nach § 37.3 SGB XI endlich ihren ursprünglichen Sinn: nicht bloß Kontrolle, sondern echte Unterstützung für Pflegebedürftige und Angehörige.

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